High Velocity Therapie 
Zur Akutbehandlung einer schweren COPD Exacerbation 

Ingo Schwarz-Gewallig, Atmungstherapeut 
Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand

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Vapotherms High Velocity Therapie ist ein Instrument zur Behandlung der respiratorischen Insuffizienz. Obschon Ergebnisse abweichen können glaubt Vapotherm, dass dieser Fallbericht ein gutes Beispiel für den klinischen Nutzen der High Velocity Therapie bei der Mobilisation von Patienten darstellt. Anwender sollten immer die Vollständige Bedienungsanleitung aller hierin genannter Produkte Berücksichtigen bevor sie die Therapie verordnen oder einsetzen. 

Einleitung

High Velocity Therapie ist eine erweiterte Form der High Flow Therapie (HFNC) die aufgrund Ihrer Effektivität bei der Reduktion von Atemarbeit auch Mask free NIV® genannt wird. 

Bei vergleichbarem volumetrischem Flow (Volumen/Zeit – L/Min.) wird bei der High Velocity Therapie das Atemgas unter signifikant höherer Geschwindigkeit (Velocity – Distanz/Zeit – m/sec) appliziert. 

Diese hohe Gasflussgeschwindigkeit (Velocity) ermöglicht es nun, auch bei erhöhter Atemfrequenz, einen großen Teil des anatomischen Totraumes zwischen zwei Atemzügen effektiv auszuwaschen. Durch die Verringerung der CO2-Menge, die während der Inspiration zurückgeführt wird, wird die alveoläre Ventilation effizienter und mit geringerem Arbeitsaufwand erreicht und Atemarbeit kann dadurch reduziert werden. 

Alveoläre Ventilation = Tidalvolumen – Totraum 

Patienten Historie und Klinik 

Wir berichten über eine 72-jährige Patientin, die bei akuter respiratorischer Insuffizienz am 23.06.2022 auf unserer interdisziplinären Intensivstation aufgenommen wurde. 

Aufnahmediagnosen: 

  • Akute Exacerbation COPD GOLD IV 
  • Lungenemphysem 
  • Pneumonie links 
  • Exsikkose 
Rö-Thorax bei Aufnahme am 23.06.2022 

ca 32 AF 
graue Hautfarbe 
kaum ansprechbar 

Ihre Initiale Blutgasanalyse zeigte unter 7l/Min O2-Brille eine schwere respiratorische Azidose: 

pH7,2 
paCO2 >120* 
paO2 48

* Bei dem hier verwendeten Blutgasanalysegerät endet der anzeigbare CO2-Bereich bei 120 

Die Patientin war komatös und verfügte nicht über suffiziente Schutzreflexe, was in Kombination mit ihren multiplen Vorerkrankungen zu der Entscheidung führte von einer initialen und akuten Behandlung mit Nichtinvasiver Maskenbeatmung Abstand zu nehmen. 

Vorerkrankungen:

  • COPD Gold IV 
  • Schweres Lungenemphysem 
  • Multiple Exacerbationen->4-6 x per anno 

Die Indikation zur Zeitnahen aber nicht Notfallmäßigen Intubation wurde gestellt.  
Aufgrund eines extrem hohen Arbeitsaufkommens und der klinischen und cardiozirkulatorischen Stabilität der Patientin wurde entschieden, die Zeit bis zur Intubation mit High Velocity Therapie via Vapotherm`s HVT 2.0 zu überbrücken. 

Behandlung und Ansprechen der Therapie 

Um 15:30 Uhr starteten wir, 10 Minuten nach initialer Aufnahme der Patientin in unsere Abteilung, High Velocity Therapie mit einem Flow von 35LPM und einer FiO2 von 40%. 
Da die Patientin die Behandlung sehr gut tolerierte und sich schnell zu stabilisieren schien, entschieden wir uns die Intubation zunächst auszusetzen und High Velocity Therapie fortzuführen. 

Um 17:30 Uhr, zwei Stunden nach Therapiestart mit High Velocity Therapie und nach der ersten Morphium Gabe zur Reduzierung der AF Und Inhalation mit Ipramol hatte sich die klinische Situation deutlich gebessert, die Patientin war wach und ansprechbar und auch die Blutgase hatten sich stabilisiert. 

pH7,35 
paCO2 91
paO260

 
Aufgrund fehlender Erfahrungswerte mit High Velocity Therapie und zur Gewährleistung der größtmöglichen Sicherheit über Nacht, wurde um 21:30 Uhr bei weitestgehend unveränderten Blutgasen (ph 7,30; pCO2 91, paO2 71) eine nächtliche nichtinvasive Maskenbeatmung im APCV Modus mit PEEP: 7, Pinsp: 26, AF: 13 und 6 Litern O2 via Astral 150 eingeleitet. 

Über die nächsten beiden Tage wurden nichtinvasive Maskenbeatmung und High Velocity Therapie im Tag/Nacht Wechsel appliziert. 

7-23 Uhr High Velocity Therapie 
23-7 Uhr APCV 

Im weiteren Verlauf wurde die Patientin zunehmend NIV-Intolerant und lehnte letztendlich nach der zweiten Nacht die Maske vollständig ab.  

High Velocity Therapie wurde weiterhin gut toleriert und für weitere 2 Tage und Nächte fortgeführt. Die Patientin konnte unter Therapie gut mobilisiert werden und die Therapieparameter konnten der jeweiligen Situation angepasst im gesamten aber langsam reduziert werden.  

48h nach initialer Aufnahme hatte sich die klinische Situation der Patient weitestgehend stabilisiert und die Blutgaswerte basierend auf der Grunderkrankung normalisiert. 

pH7,38 
paCO2 61
paO269

Zusammenfassung/ Diskussion 

Obschon die nichtinvasive Makenbeatmung unumstritten den Goldstandard bei der Behandlung der akuten respiratorischen Insuffizienz Typ II darstellt, stellt sie uns als Therapeuten doch immer wieder vor große Herausforderungen. Nicht unbedingt die Beatmung selbst, vor allem das notwendige Interface führen häufig zu Dyscomfort und Patientenintoleranz. Auch bedarf eine erfolgreiche Einleitung/ Titration eines fundierten Fachwissens und viel Erfahrung. 
High Velocity Therapie wird über eine lose sitzende Nasenbrille appliziert, die die Nasenlöcher nicht abdichtet. Dies, in Kombination mit dem optimal konditionierten Atemgas, führt zu einfacher Applikation und sehr guter Patiententoleranz. 

In diesem speziellen Fall konnte die Verfügbarkeit von High Velocity Therapie helfen eine Intubation mit all ihren Folgen vermeiden. Die Patientin konnte erfolgreich durch ihre Exacerbation geführt und nach 5 Tagen zunächst auf Normalstation und dann im Verlauf nach Hause entlassen werden.